Frauenleserin Rezension

“Lasst mich da raus” von Maria Sonia Cristoff

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Mit “Lasst mich da raus” wurde Maria Sonia Cristoff für den LiBeratur Preis 2016 nominiert, für den man noch bis zum 31.05. abstimmen kann.

Alle weiteren Informationen zum LiBeratur Preis 2016 findet man bei Litprom

Ich kann die Nominierung zwar durchaus nachvollziehen, denn das Buch enthält einige herrlich schräge Ideen und skurrile Figuren. Auf Grund der sprachlichen Sperrigkeit des Werks gehört es jedoch nicht zu meinen persönlichen Favoriten.

Maria Sonia Cristoff wurde 1965 in Patagonien geboren. Sie studierte Literatur in Buenos Aires, wo sie auch heute noch lebt.

Worum geht es?

IMG_3773Mara hat ihr Leben als Konferenzdolmetscherin gehörig satt. Sie will nicht länger um die Welt jetten, in den ewig gleichen Hotels übernachten und Reden dolmetschen, bei denen sie bereits nach wenigen Worten weiß, wie sie weitergehen werden. Nachdem sie ihre Anstellung nach dem “berühmt-berüchtigten Gipfeltreffen” los wird, beschließt Mara daher, die Gelegenheit beim Schopf zu packen und ihr gesamtes Leben gehörig “gegen den Strich zu bürsten”. Ein Jahr lang möchte sie “im Austausch mit der Welt schweigend” verbringen. Soll heißen, sie wünscht sich von ihrem Umfeld so wenig Interaktion und Einmischung in ihr Leben und ihren Alltag wie möglich.

Für ihr “Gleichmütigkeitsprojekt” zieht Mara nur mit einem Rhetorikhandbuch, in dem die verschiedenen Art zu schweigen beschrieben werden, und einem Gartenratgeber als einzige Lektüre in die argentinische Provinz, um im örtlichen Natur- und Heimatkundemuseum als Saalwächterin zu arbeiten und den perfekten “Lendenmoment” zu kultivieren. Sie genießt es, endlich einmal nicht reden zu müssen. Zu ihrem Unglück wird Mara aber bereits nach kurzer Zeit befördert und soll halbtags einem ziemlich redseligen Tierpräparator zur Hand gehen. Um ihr Projekt ungestört fortsetzen zu können, greift Mara schließlich zu drastischen Maßnahmen.

Wie hat es mir gefallen?

Was meine Meinung zu “Lasst mich da raus” angeht, bin ich leider ziemlich hin und her gerissen. Einerseits ist schon allein die hochwertige

Gestaltung des Buchs

mit Leinenrücken und Fadenbindung eine wahre Freude für jeden Bibliophilen. Auch der Inhalt brachte mich des öfteren zum Lachen. “Lasst mich da raus” ist wirklich voll von skurrilen Gestalten und aberwitzigen, bisweilen leicht morbiden Situationen, wie ich sie sehr mag. Eigentlich müsste das Buch also ein echter Volltreffer sein.

Lasst mich da raus_Leinenrückseite

“Lasst mich da raus” ist mit Leinenrücken und Fadenbindung hochwertig gestaltet.

Andererseits konnte mich die

sprachliche Umsetzung

so gar nicht überzeugen. Maria Sonia Cristoff ergeht sich in schier nicht enden wollenden Aufzählungen zu Nebensächlichkeiten. Nicht selten besteht eine Seite aus gerade einmal drei Sätzen. Hierdurch ist das Buch nicht besonders flüssig zu lesen.
Außerdem habe ich die wörtliche Rede als Element, um einen Text lebendig zu gestalten, vermisst. Dass in “Lasst mich da raus” stattdessen ausschließlich indirekte Rede benutzt wird, lässt das Buch zusätzlich schwerfällig erscheinen. Um es positiv auszudrücken, könnte man sagen, dass in Maria Sonia Cristoffs sperriger, schnell ermüdend wirkenden Sprachwahl Maras Gemütsverfassung nicht nur perfekt ausdrückt sondern sie darüber hinaus auch ein Stück weit für den Leser bzw. die Leserin erfahrbar macht.

Ich für meinen Teil hätte jedoch gerne auf diese so authentische Leseerfahrung in Sachen Langeweile und Ziellosigkeit verzichtet. Beinahe hätte sie dafür gesorgt, dass ich “Lasst mich da raus” nach dem ersten von insgesamt nur drei Kapiteln abbreche. Dass ich dies dann doch nicht getan habe, hatte auch mit Marinas Rezension auf “Literatur leuchtet” zu tun. Wenn ich schon nicht “die spritzige Sprache” entdecken konnte, wollte ich wenigstens die “skurrilen Ideen”, von denen Marina schreibt, noch finden.

Zu Marinas Rezension auf “Literatur leuchtet”

Tatsächlich ist mir dies dann auch noch gelungen. Es erforderte allerdings viel Aufmerksamkeit diese

Highlightmomente

überhaupt als solche zu identifizieren. Da sie genau wie das gesamte Buch sehr ruhig und unaufgeregt daher kommen und oftmals sogar nur nebenbei erwähnt werden, neigt man (oder vielleicht sollte ich besser schreiben “neigte ich”) dazu, sie schlicht zu überlesen. Investiert man jedoch etwas Zeit und Ruhe in “Lasst mich da raus”, wie auch Mara etwas Zeit und Ruhe in ihr Leben investiert, findet man herrlich schräge Ideen und teilweise leicht morbide Situationen, an denen ich, gerade weil sie nie unglaubwürdig oder überspitzt sondern nur allzu menschlich zu sein scheinen, eine Menge Spaß hatte.
Wer hatte beispielsweise noch nicht soviel aufgestaute Wut im Bauch, dass er oder sie am liebsten alles und jeden mit einem Kettenfahrzeug überrollen wollte? Und wer könnte sich beispielsweise nicht vorstellen, dass die gelangweilte und frustrierte Frau eines Tierpräparators, Kunst aus den Knochen und anderen organischen Überresten der auszustopfenden Tiere macht?

So war ich schließlich irgendwie doch noch froh, “Lasst mich da raus” nicht abgebrochen zu haben. Nicht nur weil es einige herrlich schräge Momente und Ideen sowie skurrile Charaktere enthält, sondern auch, weil mich das

Ende

selbst noch einmal überraschen konnte. Viel möchte ich hier natürlich nicht verraten, aber in dieser Form war es für mich bis zuletzt nicht vorhersehbar, weshalb ich mir ein amüsiertes Lächeln nicht verkneifen konnte.

Bewertung: ♥♥♥ lesenswert

lasst mich da raus_coverTitel: Lasst mich da raus ♦ Autorin: Maria Sonia Cristoff ♦ Übersetzung: Peter Kultzen ♦ Format: Hardcover ♦ Verlag: Berenberg ♦ Umfang: 157 Seiten ♦ ISBN: 978-3-937834-86-3 ♦ Preis: 20,-€

Leseprobe

Meinen persönlichen Favoriten für den LiBeratur Preis 2016 werde ich Euch nächsten Sonntag vorstellen.

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