Frauenleserin Rezension

“Das Schneemädchen” von Eowyn Ivey

Kommentare 2

Selten wurden für Schnee und Eis schönere Wort gefunden, als es Eowyn Ivey tut. “Das Schneemädchen” zeigt die Schönheit der unberührten Wildnis Alaskas.

Es ist ein modernes Märchen für Erwachsene, das die Leserherzen durch einen zarten Hauch Magie dahinschmelzen lässt.

Bewertung: ♥♥♥♥♥ Lieblingsbuch!

Worum geht es?

Alaska, 1920. Obwohl Mabel und Jake nicht mehr die jüngsten sind, sind sie vor Kurzem in die abgelegene Wildnis Alaskas gezogen. Sie haben nie Kinder bekommen und trauern insgeheim beide noch immer auf ihre jeweilige Art um die Todgeburt ihrer Tochter. Als sie an einem schneereichen Winterabend eine Schneemädchen bauen und kurz darauf im Wald auf ein Mädchen treffen, glaubt Mabel darin die russische Märchenfigur Snegurotschka zu erkennen, von der ihr ihr Vater einst vorlas. Aber wer ist das Mädchen wirklich und was macht es alleine im winterlichen Wald?

Warum habe ich es gelesen?

Das Buch wurde mir für die Leserlieblingsbuchchallenge vorgeschlagen. Tatsächlich auf meine Leseliste wanderte es aber erst, nachdem ich die Rezension von Jan las.

Wie war mein erster Eindruck?

Schneemädchen

Bereits das Cover, über das ich mir – vor allem bei ebooks – sonst ja keine allzu großen Gedanken mache, gefiel mir hier sehr gut. (Vielleicht, weil es auch in  Schwarz-Weiß noch sehr gut wirkt…?!) Es erinnert an eine Illustration als einem alten Märchenbuch.

Dass diese Assoziation durchaus beabsichtigt ist, wurde bereits auf den ersten Seiten klar, denn jedem Teil dieses Buchs ist ein Ausschnitt aus dem Märchen vom Schneemädchen vorangestellt. Dieser wird dann im nachfolgenden Teil literarisch aufgearbeitet.

Wie fand ich die Sprache?

Auch die Sprache verspricht etwas Magisches, Zauberhaftes. Eowyn Ivey erschafft die sehr dichte und fast zum Greifen nahe Atmosphäre eines winterlichen Märchenwaldes, in der sich das Mädchen feengleich zu bewegen scheint. Selten habe ich mit relativ einfachen Worten so plastische und eindrucksvolle Schilderungen von einer winterlichen Schneelandschaft gelesen wie in “Das Schneemädchen”. Obwohl ich das Buch mitten April mit der Sonnenbrille auf der Nase in einem Liegestuhl auf der Terrasse las, konnte ich Schnee und Eis praktisch selbst spüren und verlor mich vollkommen in dieser Zauberwelt.

Gleichzeitig passt die Sprache sehr gut zur Landschaft und dem Leben, welches das Ehepaar führt. Die Kargheit und Trostlosigkeit kommt darin ebenso gut zum Ausdruck wie das mühsame und anstrengende Leben, das die beiden für sich gewählt haben.

Diese Ambivalenz ist sehr erstaunlich, scheint doch die Zartheit und Magie in einem Widerspruch zur Wildheit und Härte zu stehen. Eowyn Ivey jedoch gelingt dieser Spagat scheinbar mühelos und macht den besonderen Reiz von “Das Schneemädchen” aus.

Wie fand ich das Buch insgesamt?

“Das Schneemädchen” ist ein sehr ruhiges Buch, das mich stark berührte und gänzlich dann trug. Es ist voller angedeutetem Zauber. Die Geschichte entführt in eine magische Welt und lässt die Wildheit und Unberührtheit Alaskas in den 20er Jahren eindrucksvoll wieder auferstehen. Es ist ein modernes Märchen für Erwachsene, bei dem es bis zum Schluss der Interpretation des Lesers überlassen bleibt, ob das Mädchen nun tatsächlich ein Zauberwesen und doch ganz realer Mensch ist. Auch Mabel und Jake kommen hier nicht zu einem gemeinsamen Ergebnis.

Besonders gelungen fand ich die Art des Spannungsaufbaus.
Gleich zu Beginn des zweiten Teils erzählt Mabels Schwester in einem Brief von den unterschiedlichen Versionen des Märchens von Snegurotschka. In allen nimmt die Geschichte einen schlechten Ausgang. Damit scheint das Ende des Buchs zunächst schon früh vorweg gegriffen. Dann aber schließt sie ihren Brief mit diesen Sätzen:

Welch tragische Geschichte! Ich werde nie verstehen, warum diese Märchen, die doch für Kinder gedacht sind, immer so grausam ausgehen müssen. Ich glaube, wenn ich diese je meinen Enkeln, erzähle, ändere ich den Schluss und lass alle froh und glücklich sein bis an ihr Lebensende. Das dürfen wir doch, nicht wahr, Mabel?

Ab diesem Punkt fieberte ich richtig mit Mabel, Jake und ihrem “Schneemädchen” mit. Längst hatte ich alle ins Herz geschlossen und wünschte mir für die Drei ein Ende wie das von Mabels Schwester.

Auch die Figurenzeichnung gefiel mir sehr. Obwohl “Das Schneemädchen” eine Art Märchen für Erwachsene ist, zeichnet Eowyn Ivey sehr dichte Figuren. Im Gegensatz zum “richtigen” Märchen lässt sie keine Stereotypen, sondern “reale” Menschen mit Ecken und Kanten agieren. Mabel und Jake machen im Laufe des Buches eine Entwicklung durch und schaffen es dank ihres “Schneemädchens” schließlich wieder mehr zueinander und eine neue Art inneren Frieden zu finden. Sie söhnen sich mit ihrer Kinderlosigkeit aus. Dies bringt die Geschichte dem erwachsenen Leser wesentlich näher und macht diese glaubhafter und sehr viel erfahrbarer als jedes Märchen.

Ich bin begeistert – oder verzaubert (?) – von diesem Buch und habe mir vorgenommen, es im Winter noch einmal zu lesen.


Titel: Das Schneemädchen ♦ Autorin: Eowyn Ivey ♦ Übersetzung: Claudia Arlinghaus, Margarete Längsfeld, Martina Tichy ♦ Verlag: Rowohlth ♦ Format: eBook ♦ ISBN: 978-3-644-30891-6 ♦ Preis: 9,99 €


 

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2 Kommentare

  1. Hallöchen liebe Kerstin,
    endlich hinterlasse ich mal meinen ersten Kommentar auf deinem Blog! Yaaay.
    Ich habe das Buch schon oft bewundernd in den Händen gehalten und wollte es einfach haben – allein schon wegen diesem schönen Cover. Aber eigentlich ist 1920 nicht so meine Zeit .. ich mag nicht so gerne Geschichten die “so weit” in der Vergangenheit spielen. Ich bin da irgendwie nicht für gemacht.. Aber deine Rezension lässt mich nochmal darüber nachdenken! 😉

    Liebst, Lotta

    • Kerstin Scheuer sagt am 21. Mai 2015

      Hallo Lotta,

      ich finde, in diesem Fall spielt es fast keine Rolle, zu welcher Zeit das Buch spielt. Schließlich sind Märchen zeitlos.
      Es ist eben eine einfache Welt. Ohne Strom, Telefon, Heizung, Autos,…

      Liebe Grüße.
      Kerstin

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